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Didaktische Überlegungen

Smartphones und soziale Medien sind fest im Alltag von Kindern und Jugendlichen eingebunden. Die meisten von ihnen verbringen mehrere Stunden im Netz und nutzen ihr Smartphone unterwegs, im Freundeskreis, in der Schule und in der Familie (1). Da Peer Groups für die Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I die wichtigste Sozialisationsinstanz darstellen und Kinder und Jugendliche per Messenger miteinander kommunizieren und in sozialen Netzwerken interagieren, ist die Öffnung der Schule für diese Kommunikationswelten hinsichtlich der Lernmotivation, aber auch hinsichtlich des Dialoges zwischen Erwachsenen und Jugendlichen sehr wichtig.

Daher muss es im Unterricht darum gehen, eine reflexive und kritische Haltung beim Umgang mit diesen Kommunikationsmedien zu fördern. Dies bedeutet, dass Kinder und Jugendliche lernen, realistische Folgeabschätzungen ihrer Handlungen im Netz oder mit dem Smartphone vorzunehmen. Nur so können sie kompetent und selbstsicher auf dem schmalen Grad zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen Freiheit und Entblößung, zwischen Einlassen und Kontrollverlust wandeln und mögliche Risiken für sich selbst und für andere erkennen. Dazu gehört auch, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Rechte und Pflichten in den Medien kennen und reflektieren lernen.

Wenn Lehrkräfte sich also aus guten Gründen dafür entscheiden, Smartphones und soziale Medien im Unterricht zum Thema zu machen, bedeutet dies auch, sich auf einen Balanceakt einzulassen: Es bedeutet, sich der Realität von Kindern und Jugendlichen zu nähern, ohne diese sofort zu bewerten und zugleich einen kritischen Blick auf die medialen Umgangsformen zu werfen und den Schülerinnen und Schülern möglicherweise eine neue Perspektive auf ihren eigenen Mediengebrauch zu eröffnen. Sich den Themen Smartphone und soziale Netzwerke zuzuwenden, impliziert also auch, den Unterricht methodisch und inhaltlich zu öffnen.

Eine inhaltliche Öffnung des Unterrichts kann bedeuten, im Deutschunterricht Sprech- und Argumentationsweisen thematisch auf die Kommunikations- und Medienwelten des Smartphones und der sozialen Medien zu beziehen. Darüber hinaus bieten sich viele Anknüpfungspunkte zur Thematisierung im Fachunterricht an: So z.B. der Umgang mit Cybermobbing in Ethik, die Bedeutung des Urheberrechtes für Künstler in Kunst, politische Aspekte, wie Datenschutz oder Hate Speech in Politik & Wirtschaft, sozialwissenschaftliche Fragestellungen, wie „Privatsphäre“ im Kontext sozialer Medien in Gesellschaftslehre u.v.m. Zudem lassen sich viele Themenaspekte auch gut im Rahmen eines fächerübergreifenden Projektunterrichts behandeln.

Der Lerngewinn einer unterrichtlichen Behandlung von sozialen Medien und den damit zusammenhängenden Diensten, die Kinder und Jugendliche regelmäßig nutzen, liegt eher im Bereich der Reflexion als im reinen Wissenserwerb. Die Unterrichtsvorschläge und Aufgaben sind deshalb in der Regel so angelegt, dass durch sie zum Nachdenken angeregt wird. Mit Kindern und Jugendlichen nachdenken bedeutet auch immer, mit ihnen zu sprechen, sie nach ihren Einschätzungen, Meinungen zu fragen, ihnen aber auch eine Erwachsenenposition anzubieten und diese zur Diskussion zu stellen.

Neben einer inhaltlichen Öffnung wird durch die thematische Behandlung auch eine methodische Erweiterung des Unterrichts angeregt. Die Lehrkraft wird in Teilen auch selbst zum Lernenden und unterstützt aktiv die Schülerinnen und Schüler, sich mit „ihrem“ Smartphone, mit der Kommunikation in „ihrem“ sozialen Netzwerk oder generell mit ihrem eigenen Mediennutzungsverhalten im Rahmen praktischer Übungen auseinanderzusetzen. Hierbei können sie zum Beispiel ihre persönlichen Umgangsweisen mit dem Smartphone analysieren und in einem Forschertagebuch dokumentieren, den Auswirkungen von Cybermobbing mit Rollenspielen nachgehen oder ihre Sicht auf den Datenschutz mit der Produktion eigener Erklärvideos entwickeln.

Das Medienpaket unterstützt das selbstständige Lernen, indem Kriterien oder Merkmale zu bestimmten Themen erarbeitet werden und Pro- und Contra-Überlegungen angestellt werden sollen. Ein solches kriteriengeleitetes Arbeiten und die Unterstützung zur differenzierten Kommentierung schafft Sicherheit bei der Erledigung von Aufgaben und lässt dennoch genug Freiraum, um Aufgaben individuell zu erledigen. Im Vordergrund steht dabei, die Zusammenhänge von eigenem Mediengebrauch und sozialen Folgen zu erkennen und konkrete Gefahren des individuellen Umgangs wahrzunehmen.

Die Vorschläge für den Unterricht orientieren sich an den Medienkompetenzen der von der Kultusministerkonferenz definierten Kompetenzbereiche in Verbindung mit den fachlichen Kompetenzen nach dem Kerncurriculum Hessen (2). Hierzu gehören unter anderen:

  • Chancen und Risiken des Mediengebrauchs in unterschiedlichen Lebensbereichen erkennen, eigenen Mediengebrauch reflektieren und ggf. modifizieren
  • Suchtgefahren vermeiden, sich selbst und andere vor möglichen Gefahren schützen
  • Bedeutung von Urheberrecht und geistigem Eigentum kennen
  • Persönlichkeitsrechte beachten
  • Privatsphäre in digitalen Umgebungen durch geeignete Maßnahmen schützen
  • Ethische Prinzipien bei der Kommunikation kennen und berücksichtigen

Eine Zuordnung der einzelnen Unterrichtsideen zu den verschiedenen Kompetenzbereichen und Medienkompetenzen ist in der „Didaktischen Landkarte“ in diesem Medienpaket zu finden.

Die Unterrichtsideen eignen sich für Schülerinnen und Schüler ab zehn Jahren, sind aber nicht speziell für einen bestimmten Jahrgang oder eine bestimmte Schulform entwickelt und sind keinem Fach in spezifischer Weise zugeordnet. Es wurde darauf geachtet, jeden Themenschwerpunkt so aufzuarbeiten, dass unterschiedliche Sozialformen und Methoden eingesetzt werden und so ein abwechslungsreicher Erarbeitungsprozess möglich wird. In allen Unterrichtsideen sind jeweils aufeinander aufbauende Unterrichtsvorschläge mit Hinweisen zu Didaktik, Sozialformen und Zeitbedarf zu finden. Diesen Vorschlägen zugeordnet sind Vorlagen mit Texten und Bildern zum Thema, Aufgabenblätter, Informationen für die Lehrkraft sowie Videos und Text-Bild-Seiten. Zuweilen wird auch auf frei zugängliches Material im Internet verwiesen. Die Zeiteinteilung für die einzelnen Arbeitsschritte sind ungefähre Orientierungsgrößen, zugrunde gelegt ist eine Zeiteinheit von 45 Minuten pro Schulstunde. Einige Unterrichtsvorschläge haben eine Dauer von zwei oder drei Schulstunden, die einzelnen Schulstunden müssen jedoch nicht zwingend am Stück, sondern können auch auf mehrere Tage verteilt hintereinander durchgeführt werden. Selbstverständlich kann sich aus einer individuellen Unterrichtsorganisation eine vollkommen andere Abfolge oder Zeiteinteilung ergeben.

Wir möchten mit unseren Vorschlägen zur Erarbeitung des Themas im Unterricht umfassende Anregungen und Hilfestellungen geben, wie ein didaktisch und methodisch sinnvolles Vorgehen aussehen könnte und überlassen es Ihrer Phantasie und Ihrer pädagogischen Erfahrung, davon abweichende, neu kombinierte Abläufe anzuwenden oder andere und darüberhinausgehende Ideen eigenständig zu entwickeln.

(1) Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2021). JIM-Studie 2021 – Jugend, Information, Medien; online unter:  https://www.mpfs.de/de/studien/jim-studie/2021/; letzter Zugriff: 17.02.2022.

(2) Vgl. Kultusministerkonferenz (2017). Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2016 in der Fassung vom 07.12.2017;  https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Digitalstrategie_2017_mit_Weiterbildung.pdf; letzter Zugriff: 17.02.2022 sowie Hessisches Kultusministerium (2019). Praxisleitfaden Medienkompetenz - Bildung in der digitalen Welt;  https://kultusministerium.hessen.de/sites/kultusministerium.hessen.de/files/2021-08/praxisleitfaden_medienkompetenz.pdf; letzter Zugriff: 17.02.2022